Abt. Kampf: Der Kampf um einen Kaffee

18.09.2013 17:44

Bin schwer ins Grübeln gekommen. "Der Mensch denkt und Gott lenkt", heißt es. Ich frage mich, ob Gott nicht lenkt, wenn der Mensch nicht denkt. Es gibt Anlaß zu dieser Überlegung. Vor etwa einer halben Stunde bin ich von meinem Stuhl hier aufgestanden, um mir in der Küche einen weiteren Kaffee zu machen. Ich brauche Unmengen an Kaffee, um "in die Pötte zu kommen". Filterkaffee mag ich nicht und deswegen habe ich eine Espressomaschine mit einem groß dimensionierten, metallenen Pulverbehältnis. Meine Tassen sind ebenfalls entsprechend dimensioniert.

Es sind etliche Handgriffe nötig, bis die Espressomaschine endlich Kaffee macht. Kaffeepulver vom letzten Kaffee entfernen, Einsatz ausspülen, abtrocknen, Hände abtrocknen (damit das frische Pulver nicht an den unmöglichsten Stellen kleben bleibt), Kaffeedose aus dem Regal nehmen, öffnen, mit Meßlöffel Einsatz befüllen, mit Stampfer festdrücken, Einsatz in die Maschine reindrehen, Wasser auffüllen, Kännchen unterstellen, Maschine einschalten, Kaffeedose schliessen und wegstellen. Große Tasse vorbereiten, Milch rein, drei Löffel Zucker dazu - und warten.

Da ich kein großer Warter vor dem Herrn bin, warte ich nicht, sondern mache in der Zwischenzeit was anderes. Zum Beispiel gehe ich zur Toilette. So, wie vorhin.

"Hmm, lecker Kaffee!", denke ich mir auf meinem Weg in die Küche und verfalle einen Moment später in eine Schockstarre. Die Arbeitsplatte in der Küche ist überschwemmt mit schwarzem Kaffee. Ich hatte vergessen, das Kännchen unterzustellen. Nicht zum ersten Mal übrigens. Mit einem frustrierten Seufzer stelle ich erst mal alles auf die Geschirrablage der Spüle, was in der Lache steht. Dort kann es schadlos vor sich hinsauen. Alsdann greife ich nach der Zewa-Rolle, um festzustellen, daß die schon sehr dünn geworden ist. Ich brauche eine frische Rolle. Also hole ich mir eine frische Rolle aus dem Keller. Nach zehn oder fünfzehn Blatt saugfähigem Zewa ist die Arbeitsplatte wieder trocken. Ich will die vollgesaugten Papiertücher in den Abfall werfen - und stelle fest, daß die Tüte im Abfalleimer unter der Spüle bereits proppevoll ist. Also: Erst mal die proppevolle Tüte aus dem Abfalleimer entfernen und eine neue einsetzen. Tüte reißt natürlich, Küchenabfälle verteilen sich auf dem Boden.

Ich pfriemele Schaufel und Besen hervor und befördere die Küchenabfälle in die neue Tüte. Dann hole ich noch eine weitere Tüte und versenke die gerissene Tüte mitsamt Restinhalt darin. Arbeitsplatte und Küchenboden sind wieder sauber. Also, Kaffee, die Zweite ...

Pulvereinsatz rausdrehen und ...autsch ... der ist ja noch heiß. Der Einsatz verabschiedet sich mit Lichtgeschwindigkeit in Richtung Küchenboden und das leicht feuchte Kaffeepulver verteilt sich explosionsartig bis unter den Küchentisch. Der Herr hat heute einen Prüfungstag für mich angesetzt. Ich bin tapfer - und demütig verkneife ich mir einen Fluch. Der Staubsauger muß her. Was soll ich sagen? Der Staubsaugerbeutel ist ebenfalls voll. Um keine weiteren Risiken einzugehen, stelle ich den Staubsauger wieder weg und nehme mir einen Besen. Schön alles auf ein Häufchen zusammengekehrt, kommen nun Kehrrichtschaufel und Handfeger erneut zum Einsatz. Doch was ist das? Die Schaufel ist vom Küchenabfall noch feucht und nicht wenig Pulver bleibt auf der Schaufel kleben. Der Herr prüft mich heute wirklich hart. Ich gehe ins Bad, halte die Kehrrichtschaufel unter den Wasserstrahl an der Badewanne und spüle das Pulver ab. Danach spüle ich die Badewanne mit dem Brausekopf. Zurück in die Küche ...

Pulvereinsatz erneut ausspülen, abtrocknen, Hände abtrocknen, Kaffeepulver einfüllen, Einsatz in die Maschine reindrehen, Kännchen unterstellen .... moment ... hatte ich überhaupt schon Wasser eingefüllt?.Man sieht es der Maschine von außen nicht an. Habe ich oder habe ich nicht Wasser eingefüllt? Ich glaube, ich habe. Oder doch nicht? Also, den Einsatz wieder rausdrehen, vorsichtig zur Seite legen, damit er nicht kippt, Maschine ausstecken und über der Spüle auf den Kopf stellen. Läuft Wasser aus? - Nein. Also hatte ich kein Wasser eingefüllt. So, jetzt aber: Maschine hingestellt, Wasser eingefüllt, Einsatz reingedreht, Kännchen untergestellt und den Schalter gedreht. In fünf Minuten gibt es Kaffee ...

In der Zwischenzeit schaue ich mal nach dem Briefkasten. Ich sortiere die Post und als ich fertig bin, freue ich mich darauf, mit einer großen Tasse Kaffee an meinen Computer zurückzukehren. Ich betrete die Küche. Was ist das? Totenstille! Kein Kaffee! Nirgendwo!

Ich hatte vergessen, den Stecker der Maschine in die Steckdose zu stecken. Ich hasse Montage und der Herr weiß das ganz genau. Aber ich habe nicht geflucht. Vielleicht prüft er mich jetzt eine Weile lang nicht mehr ...