Abt. Lüge & Schmalz: Die Liebe

17.11.2013 14:31

Warum verkauft EDEKA Lebensmittel? - Weil man bei EDEKA die Lebensmittel liebt. EDEKA: "Wir lieben Lebensmittel." Verständlich. Was man liebt, das verkauft man gern. Aus Nächstenliebe wahrscheinlich. "Wir lieben die Petersilie, die wir gerade schweren Herzens an Sie verkauft haben. Hacken Sie das Sträußchen bitte zärtlich."

Neuerdings lieben die Anpreiser von allem möglichen immer alles, bevor sie es dann verkaufen. Beim Gebrauchtwagenhandel lieben sie neuerdings ihre Autos. "Wir lieben Autos." Wahrscheinlich ist der Kaufpreis für einen Gebrauchtwagen eine Art Schadensersatz für den Trennungsschmerz.

Die Botschaft soll natürlich sein: Wir verkaufen Ihnen etwas, das wir eigentlich selbst lieben. So sehr lieben wir SIE! Na, und wem würden wir denn nicht vertrauensvoll alles abkaufen, wenn er uns doch so sehr liebt, daß er uns sein Liebstes verkauft? Würde jemand, der uns liebt, uns überteuertes Zeug andrehen oder gar irgendwelches minderwertiges Gelumpe? - Nie im Leben. Wo doch die Liebe des Warenverkäufers die allerunbestechlichste von allen ist!?

Gestern erhielt ich auf Facebook die freudige Mitteilung unseres örtlichen Reise- und Omnibusunternehmens, daß der Bus das umweltfreundlichste Verkehrsmittel sei. Das wußte ich zwar schon, aber dann wurde mir die Liebe des Busunternehmers zur Umwelt fingerdick aufs Butterbrot geschmiert: "Damit das auch so bleibt, erhalten unsere Fahrer heute eine Schulung in wirtschaftlichem Fahren durch das MAN-profi- drive-team in Würzburg."

Um ein Haar hätte ich mir am örtlichen Fischweiher einen Haufen grüner Entenkacke zusammengekratzt, eines der Zahnstocherfähnchen, die bei EDEKA in den Probierwürfeln der verschiedenen Käsesorten stecken, mit "Danke!" beschriftet, es dann mitten in die grüne Entenkacke gesteckt und unter Tränen der Rührung und Dankbarkeit bei der Geschäftsleitung unseres umweltverliebten Busunternehmers vorbeigebracht. Wegen meiner Liebe zu seiner Umweltliebe. Diese liebevolle Selbstlosigkeit! Die Fahrer erhalten ja die Schulung in wirtschaftlichem Fahren nicht etwa aus dem profanen Grund, die horrenden Treibstoffkosten zu senken! Nein, es geschieht aus "Liebe zur Umwelt." Was auch immer die "Umwelt" sein soll. Im Duden von 1920 habe ich das Wort gar nicht gefunden. Das aber nur nebenbei.

Seine Sympathiewerbung war in meinem Fall allerdings kontraproduktiv. Nie würde ich eine Busreise buchen bei jemandem, der mir auf Facebook die Nachricht schickt, er halte mich für so blöd, daß er mich vollsülzen kann. Außerdem würde ich mich nie zu einem Fahrer in den Bus setzen, dem offensichtlich binnen dreißig Sekunden - und in zwei bis drei kurzen Sätzen - nicht verständlich zu machen ist, wie man wirtschaftlich fährt. Wenn er dafür eine Schulung vom MAN profi-drive-team braucht!? Begriffsstutzigkeit ist abseits aller umweltfreundlichen Wirtschaftlichkeit auch so noch lebensgefährlich.

Wie? Der geneigte Leser glaubt, der Gipfel des merkantilen Liebesrausches sei nun erreicht? - Weit gefehlt! Es geht nämlich immer noch verlogener! Kehren wir zu EDEKA zurück: EDEKA wird nämlich höchstwahrscheinlich nicht mehr lange einfach EDEKA bleiben, sondern zu "MY EDEKA" mutieren. So, wie eine Menge von Läden und Geschäften neuerdings einfach mir gehören, ohne daß ich jemals auch nur einen Cent dafür hätte bezahlen müssen. Als mir eines Tages unverhofft GMX gehörte, weil ich mich bei MY GMX einloggen sollte, um die e-mails abzurufen, die vorher schon unzweifelhaft meine gewesen sind, wechselte ich zu WEB.DE. Ich wollte nämlich nicht auch noch einen E-Mail-Provider an der Backe haben. Zuviel Besitz ist nur eine Last. Bei aller Liebe zum Eigentum.

Wenn also zukünftig MY EDEKA aus Liebe zu den Lebensmitteln, die sowieso mir gehören - weil mir nämlich ganz EDEKA gehört - mir mein Eigentum liebevoll nochmal verkaufen will, dann wäre das nichts anderes, als Betrug durch Liebe. Darauf falle ich aber nicht herein. Ich bezahle mich doch nicht selber dafür, daß ich mir Dinge aus einem Geschäft hole, das mir gehört!?

MYne Fresse!