Abt. Reisebericht (2): Bei den Deutschen

10.02.2014 14:12

Lieber John, über den Kochlöffeltick der Deutschen habe ich Dir ja schon berichtet. Ich sage dir: Da steckt noch mehr dahinter. Ich lerne die Deutschen und ihr Land jeden Tag besser kennen.

In Deutschland gibt es unglaublich schöne Kirchen. Und viele, auch! Manche sind schon über 1200 Jahre alt und die Deutschen nennen sie romanische Kirchen. Dann gibt es gotische Kirchen, die oft sehr eindrucksvolle Buntglasfenster haben - und es gibt Kirchen, bei denen verschiedene Baustile gemischt sind. Jedenfalls haben sich die Deutschen früher eine unglaubliche Mühe gegeben, ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß es etwas gibt, das mächtiger ist als ihr Verstand. So wichtig ist ihnen gewesen, das niemals zu vergessen, daß sie sich manchmal mehrere hundert Jahre Zeit gelassen haben, so eine Kirche fertigzustellen. Auf den Dörfern ist heute noch der Kirchturm das höchste Bauwerk. Früher, als die Deutschen noch nicht ihre Kochlöffel dabei hatten, gingen die meisten von ihnen sonntags in diese Kirchen, um sich bewußt zu machen, wie klein all´ihr Denken ist und wie sehr sie dem ausgeliefert sind, was sie selbst nicht beeinflussen können.

Es ist seltsam. Als ich einem Deutschen gestern gesagt habe, daß ich davon überzeugt bin, die Deutschen hätten früher richtig gelegen und heute falsch, daß der Mensch denkt und Gott lenkt, holte er sofort seinen Kochlöffel heraus, haute sich auf den Kopf, sagte "Hitler!" - und während er den Kochlöffel wieder einsteckte, rollte er verächtlich mit den Augen und erwiderte dann "Mein Gott! Der hat doch nicht mal einen amtlichen Führerschein!" Und schon waren wir wieder bei seinem Lieblingsthema. So läuft das bei den Deutschen, John. Es ist zum Verzweifeln!

Jedenfalls: An Hitler sind sie schuld. Das glauben sie, die Deutschen. Das ist heute ihre Religion. Sonst glauben sie zunehmend, daß sie an nichts schuld seien. Das glaubst jetzt du nicht? - Paß´auf: Heute morgen habe ich eine unglaubliche Geschichte in der deutschen Zeitung gelesen. Vor fünf Jahren hat ein 17-Jähriger das Leben unter den Deutschen nicht mehr ausgehalten, hat sich eines der Gewehre seines Vaters genommen und ist Amok gelaufen. Er hat fünfzehn Leute erschossen und anschließend sich selbst. In der Stadt Winnenden ist das passiert. Du kannst dir vorstellen, daß danach alle ziemlich niedergeschlagen gewesen sind. Waren sie auch. Aber nicht allzu lange. Und schon gar nicht deswegen, weil ein 17-Jähriger trotz all´der schönen Audis und Porsches, die es in Deutschland gibt, so schwermütig und so wütend geworden ist, daß er den Wert des Lebens nicht mehr erkannt hat. Sie waren deswegen niedergeschlagen, weil fünfzehn Leute unschuldig gestorben sind. Wie es in dem Siebzehnjährigen ausgesehen haben muß, als er die Waffe schließlich gegen sich selbst gerichtet hat, das war ihnen schnell egal. Sie brauchten nämlich einen Schuldigen. Daß es die fünfzehn Tote nicht wieder lebendig machen würde, wenn sie den sechzehnten Toten zum Schuldigen erklären, - das war ihnen auch egal. Sie brauchten einen Schuldigen, damit sie selbst sich - bei aller Solidarität, die sie sonst immer im Munde führen - NICHT schuldig zu fühlen brauchten. Grün und blau haben sie sich darüber geärgert, daß sie ihren Schuldigen selbst nicht mehr zur Verantwortung ziehen konnten.

Was haben sie also gemacht? Sie haben ihre Kochlöffel herausgeholt, haben sich auf den Kopf gehauen, "Hitler!" gesagt - und während sie ihre Kochlöffel wieder einsteckten, zeigten sie allesamt mit ihrer freien Hand auf den Vater des sechzehnten Toten, den Vater des Amokläufers. Der sollte jetzt den Schuldigen abgeben. Das fiel ihnen ganz leicht. Hitler - Waffen - Krieg .... - du verstehst? - Nicht? Keine Waffen, kein gefährlicher Hitler. Wer Waffen hat, kennt sich mit Hitler nicht aus. Er hat nicht die völkisch richtige Einstellung zur Gewalt. Der Mann hatte Waffen. Wer in Deutschland Waffen hat, der kann nicht nur Rehlein und Hasen erschiessen, sondern der kann auch in Polen einmarschieren.

Um ganz ehrlich zu sein: Die Deutschen sind davon überzeugt, daß jemand Schußwaffen überhaupt nur deswegen hat, weil er in Polen einmarschieren will und daß alles andere reine Schutzbehauptungen seien. Unzweifelhaft hatte es der Vater des Amokläufers jedoch versäumt, seinen Kochlöffel vom deutschen Gesinnungs-TÜV auf seine ordnungsgemässe Funktionsfähigkeit hin überprüfen zu lassen. Generell finden es die Deutschen schon in Ordnung, Waffen zu produzieren, solange sie exportiert werden. Andere Länder haben schließlich keinen Hitler. Kein Hitler, keine Gefahr. Und daß ihnen ihren Hitler niemand kopiert, darüber wachen die Deutschen wie die Schießhunde. Sie sind schon ein stolzes Volk, die Deutschen. Ein schuldstolzes!

Die Deutschen reden viel von Solidarität und Teilhabe. Sie meinen das aber nur in einem rein materialistischen Sinn. Der Vater des Amokläufers hatte zwar ebenfalls seinen Sohn verloren und vermutlich trauerte er um seinen Sohn sogar unter nochmals erschwerten Umständen, da er ja nicht, wie die anderen, um einen unschuldig zu Tode Gekommenen trauern konnte, sondern um einen Amokläufer trauern musste und um die Toten, die sein Sohn erschossen hatte, bevor er sich selbst richtete. Das war den Deutschen aber egal. Der Mann hatte sein Gewehr nicht gemäß der amtlichen Vorschriften aufbewahrt. Er hatte auch nicht nur eines, sondern mehrere. Und die ganze Munition dazu! Sie haben ihn aus Winnenden weggemobbt.

Weißt du, John, wann mir die Deutschen sympathisch geworden wären? Wenn sie den armen Vater des Amokläufers in ihre Mitte genommen hätten, wenn sie ihn mit sich hätten trauern lassen über die fürchterliche Tragödie, die sie alle gemeinsam damals in Winnenden getroffen hat. Wenn sie ihn getröstet hätten. Wenn sie an ihre alten Kirchen gedacht hätten, ihm gesagt hätten: "Weißt du, du Mordstrummdepp, der Mensch denkt und Gott lenkt. Schliesse deine Gewehre einfach besser weg in Zukunft." Dann wären mir die Deutschen sympathisch geworden. Glaubhafter würden sie mir auch vorkommen mit ihrem notorischen Solidaritätsgefasel.

Aber weißt du, wie sie mit der Schuld tatsächlich umgegangen sind, John? Es ist absolut widerlich. Du mußt wissen: Die Deutschen rennen schon zum Staatsanwalt, wenn sie eines nackten Mittelfingers angesichtig werden. Dann haben sie nämlich die amtliche Berechtigung, sich beleidigt fühlen zu dürfen. Du kannst dir vielleicht ausmalen, wie beleidigt sie sind, wenn jemand ihre Kinder erschiesst. Kaum, daß sie die Toten beerdigt hatten, haben sie sich überlegt, wer sie für ihren Schmerz zu entschädigen habe. Bei allem Tort: Dem Deutschen hilft in so einer Situation kein Gott mehr, sondern nur noch Geld. Viel Geld! Der Deutsche verfügt über einen ausgeprägten Erwerbssinn, der dann, wenn er Satisfaktion erfährt, enorme Schmerzenslinderung bringen kann. Sie haben also ihre Kochlöffel herausgeholt, haben sich auf die Köpfe gehauen, "Hitler!" gesagt und als nächstes haben sie beinhart mit der Haftpflichtversicherung des Vaters des Amokläufers verhandelt. Sie haben zwei Millionen Euro zur Linderung ihrer Seelenpein herausgeschlagen. Teile das mal durch fünfzehn, John! Das sind über 130.000,- Euro für jeden Trauernden. Ich weiß nicht, wofür sie das Geld dann ausgegeben haben. Irgend etwas zur Wiederherstellung des obligatorischen Frohsinns wird es schon gewesen sein. Für 130.000 Euro bekommst du in Deutschland einen schönen Mercedes-Benz. Wenn der Deutsche traurig ist, will er wenigstens komfortabel zum Friedhof fahren. Vielleicht haben einige in Kochlöffelaktien investiert. In Deutschland ist das klug angelegtes Geld. Allein die Dividende würde locker das Schmerzensgeld für einen weiteren Amoklauf einbringen.

Aber damit noch nicht genug, John. Die Stadt Winnenden hat den Vater des Amokläufers jetzt auch noch auf 9,4 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Seine Gewehre sind per amtlicher Verfügung eingezogen worden. Es hätte die Gefahr bestanden, so hieß es, daß der Schuldige Amok läuft.

Was mich völlig irritiert, John, das ist, daß ich selbst mit dem Vater auch kein Mitleid mehr haben kann, nachdem ich gelesen habe, was er jetzt unternommen hat. Der sagt nämlich, daß er selbst auch nicht schuld sei, sondern der Arzt seines Sohnes. Sein Sohn war nämlich in psychiatrischer Behandlung, bevor der Amoklauf stattfand. Der Vater argumentiert nun, der Arzt hätte ihn davon in Kenntnis setzen müssen, daß bei seinem Sohn die Gefahr bestanden habe, einen Amoklauf zu starten. Der Arzt habe ihm das aber nicht gesagt! Und deswegen sei er nicht schuld daran, daß er sein Gewehr bloß im Kleiderschrank aufbewahrt hatte und nicht im Waffensafe. Der Arzt ist schuld an dem Amoklauf! John, so wie ich die Deutschen kennengelernt habe, sage ich dir: Der Mann macht sich keine unberechtigten Hoffnungen, daß er mit der Nummer bei Gericht durchkommen könnte. Die Deutschen bekommen es heute hin, den behandelnden Arzt eines psychisch Kranken dafür verantwortlich zu machen, wenn der Patient durchdreht. Das wird als Kunstfehler durchgehen und die Versicherung des Arztes wird die Stadt Winnenden entschädigen müssen. Es wird Richter geben, die sich nach der obligatorischen Nummer mit dem Kochlöffel hinstellen und im Namen des Volkes verkünden, daß der Arzt der Übeltäter ist. In Deutschland ist heute immer derjenige schuld, von dem man es am wenigsten erwarten würde.

Ich habe Dir doch von den Buntglasfenstern erzählt, die die Deutschen in ihren wunderschönen Kirchen haben. Erinnerst du dich, John? Es gibt immer mehr Deutsche, die sich mit dem Kochlöffel auf den Kopf hauen, "Hitler!" sagen und dann Steine aufheben, um damit diese jahrhundertealten Buntglasfenster an ihren Kirchen einzuwerfen. Das mit den Steinen haben sie sich bei den Moslems abgeschaut. Von denen gibt es auch immer mehr in Deutschland. Und die Deutschen reden auch nicht mehr unbedingt Deutsch. Letzthin habe ich junge Leute gesehen, die an einer Kirche vorbeigegangen sind. Es folgte die Nummer mit dem Kochlöffel und dann sagte einer: "Uncoole Location." John, ich muß dir sagen, daß ich froh bin, wenn ich bald wieder nachhause darf. Die Deutschen sind dümmer als 1930. Die sind so dumm, daß es brandgefährlich ist. Fast glaube ich, wir sollten wieder einmarschieren, ihnen ihre Kochlöffel abnehmen und sie zurück in ihre Kirchen prügeln.