Demokratie & Demokratismus

05.07.2013 07:27

Wenn Sie mit dreizehn Jahren bereits regelmässig Auto gefahren sind, sich schon von Kindesbeinen an für Autos und Verkehr interessiert haben, dann gehe ich davon aus, daß Sie mit achtzehn autofahren können. Weder Sie noch ich nehmen aber deshalb an, daß Sie jetzt einfach zum Landratsamt gehen könnten, um sich einen Führerschein ausstellen zu lassen. Sie könnten sich noch nicht mal selbst zu einer Führerscheinprüfung anmelden. 

Wenn Sie sich mit dreizehn nicht für Politik interessiert haben und mit achtzehn noch immer nicht, dann gehe ich davon aus, daß Sie keine Ahnung haben, worum es geht. Dennoch dürfen Sie wählen gehen, wenn Sie achtzehn Jahre alt geworden sind - und zwar einfach so. Ob Sie befähigt sind zu wählen, interessiert niemanden. Ungeachtet Ihrer nicht vorhandenen Qualifikation werden Sie sogar noch mit Wahlplakaten konfrontiert, auf denen zu lesen ist: "Ihre Stimme zählt!". Wenn Sie richtig dumm sind, dann fühlen Sie sich dadurch geschmeichelt, anstatt sich darüber zu ärgern, dreist angelogen worden zu sein. Ihre Stimme zählt nämlich überhaupt nicht. Was zählt, das ist die Masse der Stimmen von Ignoranten wie Ihnen.

Nehmen wir an, Sie seien ein außergewöhnlich guter, routinierter Autofahrer, der viele hunderttausend Kilometer unfallfrei zurückgelegt hat, ohne jemals irgendjemanden zu gefährden oder zu schädigen. Nehmen wir weiters an, daß das deswegen so sei, weil Menschen das, wofür sie sich interessieren, in aller Regel auch gut machen und auf jeden Fall besser, als Menschen, die sich nicht dafür interessieren - und daß Sie deswegen selbst genau wissen, wie schnell Sie jeweils fahren können: Wenn Sie oft genug "zu schnell" gefahren sind, dann wird man Ihnen Ihren Führerschein ohne weitere Fragen einfach abnehmen. Andererseits aber können Sie SPD, Grüne oder die CDU so oft wählen, wie Sie wollen - und niemand wird Ihnen deswegen das Wahlrecht aberkennen. Und das, obwohl die Masse derjenigen, die diese Blockparteien wählt, das Land nachweislich mehr schädigt, als jemand, der folgenlos schneller fährt als der Durchschnitt.

Sehen Sie? Das ist Demokratie. Besser: Das ist das System, das sich Demokratie nennt und daß Sie für eine halten. Ist Ihnen schon jemals der Verdacht gekommen, daß eine Medien- und Massendemokratie eine Verfallsform von "Demokratie" sein könnte? Nein? Dann wird es Zeit, Ihnen den Führerschein zu entziehen. Sie sind zu dumm, um etwas so Verantwortungsvolles wie Auto fahren zu bewerkstelligen. Reines Glück, daß bisher noch nichts Schlimmes passiert ist. Wie? Sie haben schon mal einen schweren, selbstverschuldeten Unfall gehabt? Und Sie haben Ihren Führerschein immer noch? Und Ihr schwachsinniger Cousin sitzt zwar seit Jahren in der Psychiatrie, hat aber auch das Wahlrecht immer noch? Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Daß unsere "Demokratie" eine Pseudoveranstaltung ist? Gut. Das hat Ihnen den Führerschein gerade noch mal gerettet.

Eine Demokratie braucht Demokraten. Demokrat wird einer aber nicht dadurch, daß man ihm sagt, er sei jetzt einer. Wenn der Demokrat wählt, dann sinnvollerweise deswegen, weil er eine Ahnung davon hat, worüber er abstimmt. Wenn er ungeachtet aller Wahrheit bloß darüber abstimmt, ob er das bekommen soll, was er sich wünscht, muß er nicht wählen. Dann soll er eine Petition unterzeichnen. Über die entscheiden dann Leute, die eher wissen, ob das, was er sich wünscht, mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen ist. Eine Demokratie, in der es bloß um Wünsche geht, ist wertlos. Wünschen kann sich der Mensch alles mögliche. Mit der Realität muß das in keinem Fall etwas zu tun haben. Öffentliche Angelegenheiten richten sich aber vernünftigerweise an der Realität aus - und nicht an irgendwelchen Wünschen. Die alten Griechen wußten das.

Es wird in der westlichen, der sogenannten demokratischen Welt, gerne auf die uralten Wurzeln unserer "Demokratien" verwiesen. Dann ist von der griechischen Antike die Rede und von einer langen Tradition der Demokratie. Das ist grundfalsch. Die antike griechische Demokratie hatte mit der heutigen Massen- und Mediendemokratie nicht das Geringste zu tun. In der griechischen Antike haben sich erstens Phasen der Demokratie mehrmals abgewechselt mit Phasen der Tyrannis, was wohl anders gewesen sein müßte, wenn die antike Demokratie das Erfolgsmodell schlechthin gewesen wäre. Und zweitens war in der antiken griechischen Demokratie die Entscheidungsfindung einem elitären Zirkel von vielleicht zehntausend Mann vorbehalten. Um zu dieser Elite zu gehören, hatte der Nachweis erbracht worden zu sein, daß man in irgendeiner Form etwas Besonderes gewesen ist. Man mußte entweder ziemlich reich -, oder klug und gebildet sein, oder unter Beweis gestellt haben, daß man sich der Sache der Allgemeinheit bereits verpflichtet hatte, bevor man in den elitären Zirkel der Demokraten aufgenommen worden ist. Die große Masse des Volkes hatte keinerlei demokratischen Mitwirkungsrechte. Die Exilgriechen in Syracus hatten noch nicht mal Hemmungen, ihre eigenen athenischen Landsleute nach einem gescheiterten Eroberungsversuch als rechtlose Sklaven in den Steinbrüchen bis zum Tode schuften zu lassen. 

Im Zusammenhang mit unserer heutigen Medien- und Massendemokratie scheidet der Verweis auf eine lange Tradition bis zurück zur griechischen Antike also aus. Vergeßt Griechenland! Wie sieht´s mit der Weimarer Republik aus? Ein bißchen demokratische Tradition darf doch sein? Knapp 100 statt mehr als 2000 Jahre, immerhin. Jedoch:  ebenfalls Fehlanzeige. Die Weimarer Republik war eine äußerst kurze Angelegenheit und sie wurde bekanntlich per demokratischer Wahl von einer Diktatur abgelöst, die dann - oh Wunder - zunächst alle die Probleme löste, an denen die demokratische Weimarer Republik zuvor gescheitert war. Fairerweise muß man sagen, daß es die Weimarer Republik wirklich schwer hatte nach einem verlorenen Weltkrieg und unter dem Diktat der damaligen Siegermächte. Worauf begründet sich also der allgemeine Glauben daran, daß unsere Staatsform die beste aller denkbaren Staatsformen - und daß wir alle Demokraten seien?

Wir wollen uns für Demokraten halten, weil uns nichts Besseres einfällt. Und solange uns nichts Besseres einfällt, ist die Demokratie sozusagen alternativlos. Außerdem haben wir offiziell kaum eine Geschichte, in der vor 1933 etwas Nennenswertes passiert wäre. Wir sind Deutsche und haben uns eben wegen unserer kurzen, zwölfjährigen Geschichte anständigerweise zu jeder Tages- und Nachtzeit selbst zu mißtrauen. Wehe, wir würden so etwas wie nationaler Zuversicht Raum geben: Die nächsten Leichenberge wären schon so gut wie sichtbar. Daß sich andere Nationen mit vergleichbaren Leichenbergen in ihrer Geschichte weniger skrupulös anstellen als wir, spricht für uns, nicht für die anderen. Auch eine Form von Nationalismus, würde ich meinen.

Außerdem: Mit den Amerikanern hatten wir seit 1945 Demokraten im Land, die uns sehr eindringlich die Segnungen der Demokratie verdeutlichten. Demzufolge ist das schönste Ergebnis der Demokratie materieller Wohlstand bei gleichzeitiger geistiger Armut. Ersteres ist derartig wünschenswert, daß wir Zweiteres nur ungern erwähnen. Lachen wir Deutschen heute häufiger, als zwischen 1650 und 1700 oder als zwischen 1933 und 1941? Haben wir öfter Geschlechtsverkehr? Sind wir heute glücklicher als die Volksgenossen in der ersten Hälfte des Dritten Reiches? - Nicht? Und das, obwohl wir Demokratie, Antidiskriminierung,  Feminismus und gesellschaftliche Teilhabe haben, so weit das Auge reicht? Kommt irgendwer auf die Idee, daß der "gesellschaftliche Fortschritt per Demokratie & Rechtsstaatlichkeit" womöglich gar keiner sein könnte? Unterstellt, daß es etwas wie "gesellschaftlicher Fortschritt" überhaupt geben könnte: Wie anders wäre denn der zu messen, außer eben daran, ob die Menschen glücklicher sind als früher? Soweit ich weiß, ist die Depression inzwischen Volkskrankheit Nummer eins oder zwei. Machen wir einen kleinen Ausflug ...

Im Himalaya gibt es das kleine Königreich Bhutan. Der Lebensstandard dort liegt weit unter dem, was wir hier gewöhnt sind. Aber: Die Untertanen des Königs dort scheinen weitaus glücklicher zu sein, als wir hier. Es gibt dort einen Glücksbeauftragten des Königs, der ständig damit beschäftigt ist, herauszufinden, ob der nationale Glücksindex steigt, gleichbleibt oder fällt. Wenn die Untertanen kundtun, daß sie sich heute unglücklicher fühlen als noch vor drei Monaten, sieht der König Handlungsbedarf. Es ist höchstwahrscheinlich kein Zufall, daß Materialismus nicht das Thema Nummer eins ist in Bhutan. Die Zahl der zugelassenen Ausländer, die Bhutan pro Jahr besuchen dürfen, ist auf 30.000 beschränkt, obwohl Bhutan seiner landschaftlichen Schönheit wegen höchstwahrscheinlich eine sehr florierende Fremdenverkehrsindustrie aufbauen könnte, die den Lebensstandard deutlich nach oben befördern würde. Was aber sagt der König von Bhutan? "Drauf geschissen!", sagt er, "wenn es uns nicht glücklicher macht."  Ist das nicht ein schönes Beispiel dafür, daß es keine Demokratie braucht, um glücklich zu sein? Und daß ein weiser König unter Umständen ausreichend sein kann? Natürlich gäbe es da Einwände. Einer davon: Wir sind Europäer und keine Asiaten. Wir haben eine andere Kultur und denken anders. 

Zurück zur "Demokratie": Ein wesentlicher Bestandteil des Glücksversprechens, das wir der "Demokratie" abnehmen, ist das Versprechen von Gleichheit, wo es naturgemäß keine geben kann. Gleichheit ist nicht mehr als eine Annahme, eine Arbeitsgrundlage sozusagen. An der Realität geht das völlig vorbei. Wir sind nicht gleich. Warum gefällt uns dann die Idee von der Gleichheit so gut? Weil sie uns schützt! Wenn ich mit allen Anderen gleich bin, dann kann mir keiner was tun, der mir eigentlich überlegen ist, weil wir tatsächlich ungleich sind. Das ist nichtmal unbedingt schlecht! Richtig grausig wird es aber, wenn allgemein vergessen wird, daß es sich bei der Behauptung von Gleichheit um nichts anderes handelt, als um eine staatstheoretische Arbeitshypothese, sondern die Hypothese zur Erkenntnis der Realität hochstilisiert wird. Realität ist: Wir sind ungleich. Es gibt Dumme, es gibt Kluge. Es gibt Fleißige und es gibt Faule. Und last not least: Männer sind etwas fundamental anderes als Frauen. Was sich daraus ergibt, ist traditionell in der kulturellen Tradition geregelt, die in unserem Falle christlichen Ursprungs ist. Stichworte hierzu: Barmherzigkeit, Opferbereitschaft, Nächstenliebe, Anteilnahme etc.pp.

Wer also vergißt, daß die postulierte Gleichheit nichts anderes ist als eine Annahme, die sozusagen auf einer politischen Meta-Ebene zuhause zu sein hätte, der versündigt sich am Menschen ansich. Er wird Totalitarist, indem er das mehrdimensionale Spektrum eines menschlichen Lebens auf eine Dimension herunterbricht, die hinwiederum und zu allem Überfluß auch noch nichts anderes ist, als eine Annahme und mit der Realität des Menschen nicht das Geringste zu tun hat. Allerdings: Die Idee von der Gleichheit ist fundamentale Voraussetzung für die Überzeugung, daß Demokratie die beste aller denkbaren Staatsformen sei. Warum sollten Ungleiche gleichberechtigt wählen dürfen? - Eben. Die erfundene Gleichheit ist also Voraussetzung für die real existierende Demokratie. Man muß sich nicht wundern, daß Depression zur Volkskrankheit geworden ist.

Wenn wir die sogenannte Demokratie also als schwer zu ändernde Gegebenheit hinnehmen, sie also behalten wollen, hätten ein paar fundamentale Änderungen zu erfolgen:

1. Das Wahlrecht kann unmöglich an das Lebensalter gekoppelt bleiben. Über sinnvolle Alternativen wäre zu reden.

2. Aufgrund der stetig steigenden Zahl von Leuten, die in irgendeiner Form subventioniert werden (Sozialtransfers), muß das Wahlrecht auf die Leistungsträger beschränkt werden. Es kann nicht angehen, daß die Bedürftigen per Wahl darüber entscheiden, welche Segnungen ihnen diejenigen zuteil kommen zu lassen haben, die diese Gelder zu erwirtschaften hätten.

3. Das Private hat nicht länger mehr politisch zu sein. Das Private ist keine öffentliche Angelegenheit. Deswegen kann der Staat Privatangelegenheiten auch unmöglich noch länger zum Politikum erklären und  Umfragen und Abstimmungen darüber abhalten lassen.  

4. Demokratisch entschieden wird von Demokraten. Der Demokrat hat zu wissen, wovon er redet. Eine Meinung allein befähigt nicht zur Wahl. Die Meinungsfreiheit beinhaltet die Pflicht, sich eine Meinung zu bilden, anstatt einfach eine zu haben, die nichts anderes ist, als der Versuch, die eigenen Wünsche zu rechtfertigen.

5. Maßstab in einer Demokratie hat die Realität zu sein. Beispiel: Wenn die Masseneinwanderung muslimischer Ausländer Konfliktpotential birgt und diese Tatsache bewiesen ist, dann hat diese Einwanderung ungeachtet aller feuchten Gleichheitsträume zu unterbleiben, anstatt zu versuchen, die Realität per totalitärer Umerziehung und Gesinnungskontrolle diesen feuchten Träumen anzupassen.

6. Die Stimme des Autochthonen hat mehr Gewicht als die des Einwanderers. Der Einwanderer, der das nicht akzeptieren will, wandert wieder aus. Autochthoner kann allenfalls sein, wer hier geboren worden ist.

7. Die impertinente Kompetenzanmassung des Staates hat wieder aufgelöst zu werden. Kulturbestimmend ist bis in die jüngste Zeit der christliche Glaube gewesen. Ihn gilt es zu bewahren und zu stärken, auf daß Mitmenschlichkeit wieder zu einer kulturell getragenen Angelegenheit in Freiheit werde, anstatt zu einer staatlich aufgepropften Zwangshaltung zu degenerieren, der sich jeder nach Kräften zu entziehen sucht.

Wer die Demokratie will, der braucht Demokraten. Demokraten müssen über Urteilskraft verfügen. Wer das nicht wahrhaben will, ist nicht Demokrat, sondern Demokratist. Demokratismus führt zur Ochlokratie, die etwas grundsätzlich anderes ist als die Demokratie. Ochlokraten sind die Feinde der Demokratie.