Ein Hund namens Hitler

29.07.2013 12:19

Hitler war der süßeste Schäferhundwelpe, den die Welt je gesehen hat. Wir hatten uns lange überlegt, wie wir ihn nennen sollten. Zugegeben: Hitler ist kein besonders schöner Name für einen Hund. Aber in Verbindung mit verschiedenen Kommandos ist er schier unübertrefflich. "Hitler, sitz!", "Hitler, hol´das Stöckchen!" oder "Ja, wo isser denn, der kleine Hitler?" - das alles machte uns die Entscheidung leichter. Der kleine Hitler war damals zwölf Wochen alt. Es wurde Zeit, ihn bei der Tierärztin impfen - und sich ein Entwurmungsmittel mitgeben zu lassen. Ich packte Hitler also ins Auto und wir fuhren zur Tierärztin.
Kurz danach saß der Kleine auf dem Behandlungstisch, ich hielt ihn und flüsterte ihm zärtlich beruhigende Worte zu, während die Tierärztin die Spritze aufzog.
"Wie heißt er denn, der kleine Racker?"
"Hitler."
"Wie bitte?"
"Wir leben in einem freien Land. Ich kann meinen Hund nennen wie ich will."
"Aber Hitler? Sie können Ihren Hund doch nicht Hitler nennen?"
"Natürlich kann ich."
"Hören Sie: Einen Hund Hitler zu nennen, das ist ... das ist ... Tierquälerei ist das!"
"Nun übertreiben Sie aber, Frau Tierärztin! Mein jüngster Bruder hatte eine zeitlang den Hund eines vielbeschäftigten Arbeitskollegen bei sich zur Pflege. Der hieß Schröder. Also der Hund hieß Schröder, nicht der Arbeitskollege. Der hieß anders."
"Das können Sie doch gar nicht vergleichen!"
"Doch, kann ich. Beide waren deutsche Staatsmänner."
"Hitler war ein monströser Verbrecher, der unser Land ins Unglück gestürzt hat!"
"Ja und? Schröder vielleicht nicht? Gut, über das Ausmaß des Unglücks könnte man reden, aber Hitler ist schließlich kein Rehpinscher, oder? Außerdem wächst er noch."
"Ich impfe keinen Hund, der Hitler heißt!"
"Ha! Das kommt mir bekannt vor: Impft nicht den Hitler! Sie sollen den kleinen, unschuldigen Schäferhund impfen und nicht mich! Was kann denn der Kleine für seinen Namen?"
"Himmel nochmal! Sie sind doch ein Nazi!?"
"Von wegen! Der Hund heißt Hitler, nicht ich!"
"Warum haben Sie ihn dann nicht anders genannt? Rolf wäre doch gegangen? Das ist doch ein gebräuchlicher Name für einen deutschen Schäferhund!?"
"Gebräuchlich, gebräuchlich ... ich gebe meinem Hund eben lieber einen Nachnamen als Vornamen, weil Hunde ansonsten keinen Nachnamen hätten. Oder haben Sie schon mal jemanden nach Fiffi Müller rufen hören? Wäre Hitler ein Weibchen, dann hätte ich ihn auch Merkel genannt, ehrlich! Hitler ist aber ein Rüde. Hätte ich einen Rüden Merkel nennen sollen? Gender-Mainstreaming bei Hunden? So weit kommt´s noch."
"Hören Sie: Der Hund ist drei Monate alt. Sie könnten ihn noch umbenennen. Er hört ja noch nicht auf Hitler."
"Doch, tut er. Wenn ich sage `Ja wo ist denn mein kleiner Hitler?` - dann kommt er angewackelt und wedelt mit dem Schwanz."
"Sie könnten ihn trotzdem noch umbenennen. Der Hund wird sonst sein ganzes Leben lang unter diesem Namen leiden."
"Papperlapapp. Und überhaupt: Sollen Sie den Hund impfen oder sollen Sie mit mir über ihre radikalen Ansichten debattieren? Was ist jetzt? Kriegt er die Spritze oder kriegt er sie nicht?"
Die Tierärztin blickte mich voller Abscheu an und beugte sich dann zu Hitler hinab, der ganz brav sitzen blieb und sich die Spritze geben ließ.
"So, kleiner Mann", sagte sie, als sie fertig gewesen ist, "jetzt bist du geschützt."
"Er heißt Hitler! Wenn Sie Hitler zu ihm sagen, dann freut er sich. Bei kleiner Mann freut er sich nicht."
Die Tierärztin sah sich um, griff dann in eine Schublade und holte ein Leckerli heraus. Das gab sie Hitler dann ganz leise mit den Worten: "Bist ein tapferer kleiner Hitler gewesen. So ein Süßer bist du."
"Na also, geht doch. Sehen Sie, wie er sich freut?"
Die Tierärztin blickte mich angewidert an.
"Die Rechnung für die Impfung von Hitler bezahlen Sie bitte an der Rezeption. Das Entwurmungsmittel bekommen Sie auch dort."
Ich konnte mir nicht verkneifen, zu fragen, ob ich auch in Reichsmark bezahlen könne. Als ich aber sah, wie sie nach einer größeren Spritze griff, beeilte ich mich, schnell meinen kleinen Hitler auf den Arm zu nehmen und zur Rezeption zu sprinten.
Es ist jetzt ungefähr zwei Jahre her, daß Hitler geimpft worden ist. Inzwischen ist er Vater geworden. Den männlichen Welpen haben wir wieder Nachnamen gegeben, den Weibchen aber richtige Vornamen. Im Moment toben Göring, Goebbels, Heß, Magda und Eva im Garten umher. Wir mußten sie bei einem völkisch gesinnten Tierarzt impfen lassen, der ein absoluter Unsympath gewesen ist und auch gar nicht so leicht zu finden war. Als ich mit den Kleinen nämlich bei unserer Tierärztin aufkreuzte und ihr die Namen der Kleinen nannte, ist sie in eine Ohnmacht gefallen, aus der sie bis heute nicht wieder erwacht ist.