"Gemeinsam und zusammen im konstruktiven Dialog einvernehmlich für ein neues Miteinander ..."

02.06.2013 18:12

Bernhard Lassahn hat hier -->  https://www.wgvdl.com/wer-sind-wir-eigentlich  <--  recht bedenkenswerte Beobachtugen zum verordneten Kollektivismus aufgeschrieben, die ich mit Abstrichen teile. Lassahn ist aber im Grunde ein Linker, glaube ich. Deswegen will er seine Kritik an der allgegenwärtigen Zwangskollektivierung vermittels eines wie selbstverständlich dahergesagten Wir beispielsweise nicht für die SPD der frühen Siebziger Jahre gelten lassen, als Wallraff/Engelmann mit ihrem Buch "Ihr da oben, wir da unten" ein zutreffendes Wir konstatiert hatten, wie er meint: Wir Besitzlosen, wir da unten. Das allerdings ist auch kein Wir, weil Besitzloser nicht gleich Besitzloser ist. Ein besitzloser Mönch würde sich dagegen verwahren, mit einem atheistischen, ungebildeten Proleten wegen der Besitzlosigkeit als gemeinsamem Merkmal unter Wir mitgenannt zu werden. Seine Position im Leben würde der Mönch auch nicht in der Weise als unten begreifen, wie der rote Klassenkämpfer. Lassahn hat deswegen die Frage falsch gestellt. Sie muß nicht lauten "Wer sind wir eigentlich?", sondern "Wer ist eigentlich Wir?"

Lassahn hat natürlich recht, wenn er sagt, selbstverständlich könne man das Wir für die eigene Familie verwenden. Wenn da nicht, wo dann überhaupt? Auch eine Fußballmannschaft würde von sich völlig zurecht als Wir sprechen. Aber dann wird´s allmählich dünn mit Wir

Trotzdem wird mir Einzelnem ständig zugemutet, daß ich mich einer bestimmten Gruppe zugesellen sollen. Im Kampf gegen Rechts soll jeder zusammen mit den "Anständigen" ein Wir gegen Rechts bilden. Ich denke überhaupt nicht daran! Und beileibe nicht nur deswegen nicht, weil mir alle Linken in ihrem Kollektivismus zuwider sind, egal, ob sie Rotlinke oder Braunlinke sind, sondern hauptsächlich deswegen nicht, weil ich mir keinen Kollektivismus aufnötigen lasse, der den Interessen eines konstruierten Wir dient, mit dem ich nichts zu tun haben will. Wer wären denn die Anständigen? Die ganzen  Gutmenschen in ihrer jeweils individuellen Denkfaulheit, die in der Masse dann ein Wir  ergeben? Gegen Braunlinke kann ich ganz gut für mich alleine sein. Das hat auch den Vorteil, daß ich sie zugunsten eines Wir nicht fälschlicherweise als Rechte bezeichnen mußIch lüge so ungern.

Der Kollektivismus wird mir trotzdem tagtäglich um die Ohren gehauen. Ständig soll ich vereinnahmt werden. "Gemeinsam für ein neues Miteinander!" war einer der dämlichsten Wahlslogans, die ich je gelesen habe, Um das Kraut gar fett zu machen, war er garniert mit dem Konterfei des grienenden Bundeshosenanzugs. Dauernd werde ich einer Gruppe zugerechnet, aus der ich wieder herausgerechnet werde, ganz wie es den Interessen des jeweils konstruierten Wir genehm ist. "Gerade wir als Deutsche" ist eine stehende Redewendung, wenn es um "unsere Schuld" geht. Da soll ich auf einmal Deutscher sein. Deutsche sind aber ein Volk. Gibt es noch ein deutsches Volk? Wenn´s gerade paßt, dann ja. Wenn nicht, dann nicht. Wenn´s nicht paßt, dann bin ich schneller wieder Teil einer x-beliebigen Bevölkerung, als mich das verordnete Schuldgefühl verläßt, welches ich kurz vorher noch als Teil von Wir Deutsche gehabt zu haben hatte.

Dann gibt es noch jenes unausgesprochene Wir, das mich sofort anspringt, sowie ich den Seichtfunk im Radio anschalte oder mir die Nachrichten im Fernsehen ansehe. Selbst bei den Nachrichten schwingt heute nach der eigentlichen Meldung immer ein unausgesprochenes "Wie wir es alle zu finden haben" mit. Assads Truppen sind auf dem Vormarsch? Das ist aber total scheisse, wie wir alle zu finden haben, suggeriert uns der Blick des Nachrichtensprechers in der Sekunde der Überleitung zu einem anderen Thema. Daß ich nach dem Ende der Nachrichtensendung den Moderator noch ein bißchen privat mit der Wetterfee parlieren sehe, ohne freilich zu hören, was er sagt, soll mir suggerieren, daß er, die Wetterfee und ich irgendwie privat ,also Wir seien. Leckt mich doch am Arsch, oder?