Eine Farce durch und durch

01.06.2013 01:24

Text von mir, erschienen in der Blauen Narzisse.

____________________________________________________________________________________________________________________________

Eine Farce durch und durch
Mittwoch, 17 April 2013 08:41
von Max Erdinger


Auch das noch: Verhandlung verschoben. Die nationale wie internationale Aufregung um den NSU-​Prozeß ist ein Affentheater, dessen Bühne man nur als typisch deutsch bezeichnen kann.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ An dieser Regel hat sich noch nie jemand gestoßen. Wer als Erster vor dem Apple-​Store steht, darf auch als Erster das neue iPhone kaufen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Auch daran gab es bislang nichts auszusetzen, auch wenn das zypriotische Anleger, die ihre Konten nicht rechtzeitig abgeräumt hatten, mittlerweile anders sehen mögen. Eigenartig ist, daß beim Oberlandesgericht in München plötzlich nicht mehr gelten soll, was sonst stets allgemein akzeptiert ist. Was die Vergabe der Presseplätze nach dem Wer-​zuerst-​kommt-​Prinzip angeht, soll plötzlich gelten, daß das Leben nicht bestraft, wer zu spät gekommener türkischer Journalist ist.


„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ – Nicht.

Bekanntlich soll eine Neonazi-​Gruppierung namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) über Jahre hinweg für ein Dutzend Morde verantwortlich sein. Genauso bekanntlich ist das OLG München für die Vergabe von Presseplätzen verantwortlich. Die werden nicht nach Gutdünken vergeben, sondern nach einer Regel, die nicht erst zum NSU-​Prozeß eingeführt worden ist. Wollte man böswillig sein, könnte man der türkischen Journaille unterstellen, daß ihnen das Schicksal ihrer ermordeten Landsleute egal genug gewesen sei, um simple Anmeldefristen zu beachten.

Wollte man noch böswilliger sein, könnte man unterstellen, daß kein Protest auch nur den Hauch einer Chance auf mediale Beachtung, geschweige denn faktischen Erfolg gehabt hätte, wenn deutsche Journalisten lamentierten, ihnen hätten türkischen Kollegen alle Presseplätze weggeschnappt. Aber wer will schon böswillig sein?


Braucht das Oberlandesgericht ausländische Aufsicht?

Wenn man irgendwo Böswilligkeit verorten wöllte, dann könnte man sie wohl am ehesten bei denen finden, die indirekt unterstellen, ein deutsches Oberlandesgericht würde womöglich nicht korrekt arbeiten und urteilen. Braucht man etwa die Aufsicht ausländischer, vor allem türkischer Pressebeobachter?

Es war dem OLG München hoch anzurechnen, vor einer solchen Unterstellung trotz enormen Mediendrucks nicht einzuknicken. Nun verschiebt das Gericht das Verfahren auf den 6. Mai. Es soll eine neue Akkreditierung von Pressevertretern folgen. Die türkische Regierung mischt sich, wie gewohnt, in innere Angelegenheiten des deutschen Staates ein, fordert ausreichend Plätze für türkische Journalisten und Abgeordnete (!). Länder wie Russland oder China würden sich solche Einmischungen als Respektlosigkeit verbitten. Hierzulande muss man befürchten, dass ihnen reumütig nachgegeben wird.
Unverhältnismäßigkeit zwischen Titanic und Jolle

Die Impertinenz in diesem Possenspiel liegt ganz bei den Protestlern und keinesfalls beim OLG. Man mutmaße einmal: Wie würde man bei einem türkischen Gericht reagieren, wenn sich Korrespondenten des Osservatore Romano lauthals darüber beschwerten, keinen Presseplatz erhalten zu haben – in einem Prozeß gegen muslimische Fanatiker, die acht Christen umgebracht haben. Na? Eben. (Es behaupte bitte niemand, in der Türkei seien noch nie acht Christen von muslimischen Fanatikern umgebracht worden.)

Die mediale Posse um Presseplätze ist ja schon ärgerlich genug. Aber es kommt noch schlimmer, wenn man sich die Ignoranz vor Augen hält, mit welcher Inbrunst der NSU-​Prozess zu einem Ereignis aufgeblasen wird, als gelte es, Deutschland vor der endgültigen Übernahme durch die Nationalsozialisten zu bewahren. Das ist ungefähr so, als wäre in unmittelbarer Nähe der Titanic eine Jolle ebenfalls gegen den Eisberg gefahren – und die Weltpresse berichtet hyperventilierend vom Untergang der Jolle, während die Titanic unbeachtet, still und leise absäuft.

In Deutschland werden tagtäglich Deutsche zu Opfern von Gewaltkriminalität von Ausländern, pardon, von „Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund“. Es sei hier nicht nur an Daniel S. aus Kirchweyhe erinnert, der erst kürzlich von jungen Türken auf viehische Art zu Tode getreten worden ist. Deutsche Schüler werden von ihren oftmals türkischen oder arabischen Klassenkameraden erpreßt, abgezogen, verprügelt und verhöhnt. Es interessiert kein Schwein.


Der Pressecodex

In Punkt 12.1 des Pressecodex des Deutschen Presserates wurde vielmehr vereinbart, die Nationalität ausländischer Straftäter zu verschweigen, sofern die Nennung zum Verständnis des Textes nicht unerläßlich sei. Man wolle keine „Vorurteile“ den Mitbürgerinnen und Mitbürgern gewisser Nationalitäten gegenüber schüren. Bestenfalls wird also von „Tätern mit südländischem Aussehen“ berichtet. Kein Italiener und kein Spanier, der bisher dagegen protestiert hat. Ein Blick in die Jugendstrafanstalten dieses Landes würde freilich genügen, um feszustellen, daß der Deutsche Presserat nicht mehr willens ist, zwischen „Vorurteil“ und „Urteil“ zu unterscheiden.

Der ganze Hype um den NSU folgt einem inzwischen fest eingefahrenen Ritual. Der Schuldstolz derjenigen, die seit Jahren die mediale Hirnwäsche der Deutschen betreiben, kennt weder Scham noch Maß mehr. Von Stern über Süddeutsche bis hin zur taz liefern sich Redakteure ein publizistisches Rennen um den Siegerkranz beim „Großen Preis von Antifa“. Wer den moralisierenden Zeigefinger am höchsten recken kann und die groteskesten Bedrohungsszenarien zu Papier bringt, der hat gewonnen.


Der Große Preis von Antifa

Keine Abgefeimtheit ist schamlos genug, um sich zu profilieren. Jüngst mußte sich ein türkischer Publizist Rechtsradikalismus vorwerfen lassen, weil er sich besorgt darüber äußerte, daß Deutsche eines nicht allzu fernen Tages tatsächlich vor den hier lebenden Türken zu kuschen hätten. Wer einen Polizeisprecher zitiert, der darüber berichtet, in Deutschland gebe es Stadtteile, in die sich die Polizei nur noch als Hundertschaft hinein traut, ist schneller ein Nazi, als er schauen kann.

Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im anstehenden NSU-​Prozess, soll angeblich einer Mitgefangenen mit dunkler Hautfarbe gedroht haben, sie umzubringen. Das war eine vergleichsweise große Meldung in der deutschen Presse. Die fragliche Mitgefangene allerdings gab an, sie sei zu keiner Zeit von Zschäpe bedroht worden. Das war eine vergleichsweise kleine Meldung. Noch kleiner war die Meldung, daß Zschäpe ihren Platz beim Prozess einem türkischen Pressevertreter angeboten haben soll. Noch Fragen, irgendwer?

Der NSU-​Prozeß wird aller Voraussicht nach zu einer Farce werden – ganz egal, ob die türkische Presse dabei ist, oder nicht.


https://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3844-eine-farce-durch-und-durch